Grußwort des Weihbischofs Dr. Bentz
Wir haben im Januar nicht geahnt, wie wichtig dieser Appell in den Folgemonaten noch werden würde. Die Corona-Pandemie fordert uns ausnahmslos in allen Bereichen unseres Erlebens und Handelns heraus und stellt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft auf die Probe.
Erst kurzfristig stand fest, dass wir Ihnen die Auszeichnungen heute persönlich würden überreichen können - wenn auch im kleinen Rahmen und unter den einschränkenden Hygieneauflagen. Gemeinsam mit Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick und dem Vorstand der Ketteler-Stiftung, Herrn Hommel, Herrn Mönch und Herrn Dr. Veith, danke ich Ihnen für Ihr Kommen und heiße Sie alle sehr herzlich willkommen.
Sei gut Mensch! Mit dem Ziel, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken - ein Thema, das für mich natürlich nicht nur Relevanz in der Coronakrise hat. Vor fast genau einem Jahr war ich Gast und Teilnehmer an einer Podiumsdiskussion zusammen mit Kirchenpräsident Jung. Der Anlass dieser Podiumsveranstaltung war die sogenannte Vermächtnisstudie: "Das Land in dem wir leben wollen. Wie Deutsche sich ihre Zukunft vorstellen." Diese Vermächtnisstudie, initiiert, geleitet und dann auch vorgestellt von der Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung in Berlin, Frau Professorin Allmendinger, hat beobachtet: Menschen sind skeptisch gegenüber Institutionen geworden. Mehr noch, die Studie offenbart, dass wir von einem tiefen Vertrauensverlust in Institutionen sprechen müssen. Die Menschen tun sich schwer damit, ihr Vertrauen in Ämter, Behörden, Parteien aber auch in besonderer Weise in die Kirchen zu setzen.
Im gemeinsamen Gespräch stellten wir uns die Frage: Wie können wir als Institution darauf reagieren? Wir waren uns einig: Strategien und Kampagnen helfen wenig, diesen Vertrauensverlust aufzufangen, ohne Menschen, die diesen Institutionen ein Gesicht geben, sie nahbar machen, so dass sich Menschen angesprochen fühlen können. Weder Kampagnen oder Strategien, auch nicht Institutionen oder Initiativen an sich können den Zusammenhalt in unsrer Gesellschaft sichern. Zusammenhalt ist nur möglich, wo Menschen tatsächlich zusammenhalten!!
Sei gut Mensch! Das zeigen nicht nur die Preisträger des Wettbewerbs um den Ketteler-Preis. Sie und alle Bewerberinnen und Bewerber geben ihrer Institution ein Gesicht. Sie machen sich nahbar. Sie sprechen Menschen an in ganz unterschiedlichen Kontexten. Sie leben den Zusammenhalt, von dem unsere Gesellschaft lebt.
Die insgesamt elf Bewerbungen zum Ketteler-Preis zeigen, wie vielfältig hier "Gutmenschen" am Werk sind. Ich nutze diesen ambivalenten Begriff ganz bewusst und in Abgrenzung zum Traumtänzer-Klischee, das rechte Populisten so gerne bemühen. Gutmenschen sind für mich keine naiven Weltverbesserer. Es sind Menschen, die das Evangelium leben. "Sei gut, Mensch!" bedeutet für mich in Anlehnung an das Gespräch zwischen Jesus und dem Pharisäer im Lukasevangelium: Sei gut zu dir selbst, zu deinem Nächsten und zu Gott. Für mich ist das der biblische Anspruch für ein gelingendes Leben.
Mit Blick auf Ihre Projekte - unsere Preisträger - heißt das konkret: Demenzerkrankte Menschen erleben im Gottesdienst Gemeinschaft, Familien, die mit der Armut ringen, erfahren Teilhabe. Menschen schöpfen bei einem gemeinsamen Mahl Kraft oder erhalten die dringend benötigte medizinische Versorgung. Ich wünsche mir, dass diese Projekte andere inspirieren oder im Sinne von "Best Practice" Nachahmer finden. Genau das ist ja die Idee des Ketteler-Preises, den wir seit 2005 vergeben: Anerkennen, auszeichnen und publik machen, damit andere inspiriert und ermutigt werden, dem Beispiel zu folgen: Tue Gutes und rede darüber!
In Krisenzeiten wie diesen sind solche Beispiele für Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt noch wichtiger geworden. Denn Covid-19 bedroht nicht nur unsere Gesundheit, sondern fordert auch unsere Demokratie heraus. Etwa dadurch, dass wir durch die Corona-Krise Gefahr laufen, dass die soziale Ungleichheit noch vergrößert wird. Wir ahnen schon jetzt: Die auf uns zukommende "Krise nach der Krise" werden wir nur gemeinsam, solidarisch bewältigen können.
Gutmenschen in ihrem Handeln zu begleiten und zu unterstützen und darüber den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken - das ist das Ziel und die Absicht der Wilhelm Emmanuel von Ketteler-Stiftung, die heute auf 20 Jahre segensreiches Wirken zurückblicken darf. Auf den Tag genau, heute vor 20 Jahren - am 1. September 2000 - gründeten der Caritasverband für die Diözese Mainz und die Caritasverbände Darmstadt, Gießen, Mainz, Offenbach und Worms die Stiftung als caritative Stiftung für das Bistum Mainz.
45 Stifter haben seither einen Teil ihres Vermögens in den Stiftungsfonds eingebracht und tun somit weit über ihre Lebenszeit hinaus Gutes. Jährlich werden aus dem Fonds Gelder für die Zwecke der jeweiligen Einzelstiftungen ausgeschüttet. Gestartet mit einem Stiftungsvermögen von einer Million DM, umfasst das Stiftungsvermögen heute über 20 Millionen Euro. Ein Grund zum Feiern und danke zu sagen! Danke für all das, was durch die Stiftung in den letzten zwanzig Jahren möglich wurde. Darauf darf man stolz sein. Was sich hier entwickelt hat, ist ein Teil des Gefüges, das unsere Gesellschaft zusammenhält. Was durch die Ketteler-Stiftung möglich wird, ist ein Teil der kostbaren Fäden dieses unsichtbaren, aber unverzichtbaren Gewebes der biblischen Nächstenliebe, das unsrer Gesellschaft Halt und Zusammenhalt ermöglicht. Zunächst aber möchten wir unsere Preisträger-Projekte von heute kennenlernen und auszeichnen.
Sei gut, Mensch! Ich freue mich, von Ihren Ideen zu hören.